Erste Erwähnungen

Zu der jungen Kirchgemeinde gehört eine mehrere hundert Jahre alte Kirche, über deren Ursprung bis jetzt keine genauen Kenntnisse vorliegen.

Die erste urkundliche Erwähnung findet sich in der Vergabungsurkunde vom 1. Juli 1343, mit der der Ritter Anton von Blankenburg, sein Bruder Niklaus, Kirchherr zu Thurnen, und ihre Schwester, Katharina, die Kirche zu Thurnen mit den Patronats- und Vogteirechten dem Kloster Interlaken vermachten. Darin wird die dem heiligen Sebastian geweihte Kapelle zu Riggisberg als Filialkirche von Thurnen aufgeführt (der heilige Sebastian ist Schutzheiliger gegen die Pest und Patron der Sterbenden).

Aber die Kirche von Thurnen ist bereits in einem Verzeichnis der Kirchen im Bistum Lausanne von 1228 erwähnt, zusammen mit Belp, Rüeggisberg, Gurzelen, Kirchdorf und Gerzensee. Nachdem bei den Restaurierungsarbeiten der Kirche von Riggisberg von 1977/79 zwei romanische Fensteröffnungen im Chor entdeckt worden waren, ist zu vermuten, dass die Kirche viel älter ist als bisher angenommen.

Sie könnte möglicherweise in die Nähe der tausendjährigen Kirchen am Thunersee gerückt sein.

Schliessung, Wiedereröffnung, Esther von Erlach

Über das Schicksal der Kirche fliessen die Quellen sehr spärlich. Nur einzelne Begebenheiten tauchen aus dem Dunkel der Geschichte auf.

In der Reformation wurde sie 1528 geschlossen und erst wieder 1539 geöffnet und instand gestellt.

Der Pfarrer von Thurnen hatte hier alle drei Wochen eine Predigt zu halten. Für mehr reichte es nicht, umfasste doch sein Gebiet die Gemeinden Kirchenthurnen, Mühlethurnen, Kaufdorf, Rümligen, Lohnstorf, Burgistein, Wattenwil, Riggisberg und Rüti.

Im 17. Jahrhundert nahm aber das Täuferwesen in der Gegend zu, sehr zum Missfallen der bernischen Obrigkeit, an die 1528 nach der Aufhebung des Klosters Interlaken der Kirchenschatz von Thurnen gelangt war. Sie musste einsehen, dass in einer so grossen Gemeinde ein einziger Pfarrer nicht Ordnung zu halten vermochte. So wurde 1659 aus der Gemeinde Wattenwil eine eigene Kirchgemeinde abgetrennt.

Damit war die Kirchgemeinde Thurnen etwas weniger weitläufig geworden, und Frau Esther von Erlach, die Herrschaftsfrau von Riggisberg und Gattin des Hieronymus, liess daher den damaligen Pfarrer Josua Hopf bitten, nun alle vierzehn Tage in Riggisberg eine Predigt und Kinderlehre zu halten.

«Pfrundurbar»

Im Jahre 1664 wurde ein pfrundurbar angelegt, d.h., ein Verzeichnis der Abgaben und Zehnten, die der Kirche Thurnen zustanden. Auch Güter in Riggisberg waren nach Thurnen zehntpflichtig, so auf Beisseren, Hälistein, Hirzboden, Eybrunnen und im Muri. Dabei kam es «wegen dunkeler und confuser Beschreibung des pfrundurbars» wohl zu Auseinandersetzungen mit den Herrschaftsherren von Riggisberg.

In einer «Erkanntnuss zwüschen der Herrschaft Riggisberg und der Pfrund Thurnen» von 1700 heisst es, dass «durch uralte authentische Dokumente von 1439, 1538 und 1667 festgestellt ist, dass die Herrschaft Riggisberg als eine freie Herrschaft, die ausser der Mannlehenspflicht gegen unsere Gnädigen Herren allein und sonst mit keinerlei Beschwerden, weder gegen die pfrund Thurnen noch sonst gegen niemand anders, belegt ist.»

Johann Rudolf und Abraham von Erlach

1687/88 wurde wohl auf Veranlassung des Freiherrn Johann Rudolf von Erlach eine Renovation der Kirche durchgeführt. Da genau zu dieser Zeit ein Herrschaftswechsel stattfand, wurden nach Beendigung der Arbeiten die Wappenscheiben des alten und des neuen Herrschaftsherrn gestiftet, die sich noch heute in den kleinen Fenstern neben der Eingangspforte der Kirche befinden.

Während vieler Jahre befand sich auch das Grabmal von Generallieutenant Abraham von Erlach, Herr von Riggisberg und Rümligen, in der Kirche. Es wurde bei der Renovation von 1928/30 entfernt und ist heute im Park des Schlosses Spiez zu sehen.

«Geostet»

Wie die meisten Kirchen, die noch aus der romanischen oder gotischen Zeit stammen, ist auch unsere Kirche West-Ost gerichtet (geostet), d.h., der Eingang liegt im Westen, dort, wo die Sonne untergeht, dort, wo es finster wird. Westen ist in dieser Vorstellung die Sphäre des Todes. Vom Abend her, vom Dunklen her blickt man dann in der Kirche gegen Osten, gegen den Morgen, dorthin, wo die Sonne aufgeht, dorthin, wo das neue Licht des Tages herkommt: Osten als die Sphäre des Lebens. Das Licht des neuen Tages ist gleichzeitig das Symbol für den Ostermorgen, die Auferstehung! Darum gibt es im Chor unserer Kirche auch ein Ostfenster.

Das andere, etwas seitliche Fenster im Chor, liegt genau richtig, damit im Morgengottesdienst die Sonne das nötige Licht für die Lesung spenden kann!